Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus: Inhaltliche und methodische Grundsätze

 

 

28. Juni 2018, Berlin

Kurzfassung der durch das Strukturtreffen des Bundesverbands Mobile Beratung e.V. am 19. Oktober 2017 in Wustermark (Brandenburg) verabschiedeten Grundsätze

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus ist ein seit fünfundzwanzig Jahren (weiter-) entwickeltes Konzept, das in einer heterogenen Struktur von Trägern in den sechzehn Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet wird. Diese Heterogenität wird von den Mobilen Beratungsteams (MBT) wertgeschätzt und als Chance gesehen, unterschiedliche Kompetenzen und Expertise zusammenzubringen. Über Ländergrenzen und heterogene Ansätze hinausgehende zentrale Grundsätze der Mobilen Beratung wurden von Berater_innen aus allen Bundesländern in einem zweijährigen, partizipativen Prozess im Rahmen des Bundesverbands Mobile Beratung erarbeitet und im Oktober 2017 verabschiedet. Das vorliegende Papier stellt stark verkürzt zentrale Punkte dieser veröffentlichten Grundsätze dar.

Die Langfassung „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus. Inhaltliche und methodische Grundsätze“ ist hier (BMB Grundsatz-Broschüre) sowie unter www.bundesverband-mobile-beratung.de  als pdf-Datei abrufbar.

 

Inhaltliche Grundsätze Mobiler Beratung

MBT verstehen Demokratie als einen Entwicklungsprozess, an dem möglichst viele Menschen teilhaben können. Demokratie ist damit nie „erreicht“ – es gilt vielmehr, immer wieder darauf hin zu arbeiten und aktuelle Rahmenbedingungen kritisch zu hinterfragen.

Wir verstehen eine solche demokratische Kultur als grundlegenden Gegenentwurf zu unseren „Beratungsgegenständen“: Rechtsextremismus und -populismus, Rassismus, Antisemitismus und anderen Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Dazu gehört auch die Unterstützung marginalisierter Gruppen und Personen gegen gesellschaftliche Diskriminierungen und bei der Stärkung ihrer Perspektiven.

Daraus ergibt sich notwendigerweise eine menschenrechtsorientierte Haltung, die fester Bestandteil des Rollenverständnisses Mobiler Berater_innen ist. Einen normativen Bezugspunkt bildet dabei die Zivilgesellschaft als Handlungsraum, in dem Menschen und Gruppen nach demokratischen Normen und Werten miteinander agieren wollen. Ohne eine solche Zivilgesellschaft ist das Konzept einer demokratischen Kultur nicht denkbar.

 

Ziele und Zielgruppen Mobiler Beratung

Leitziel Mobiler Beratung ist es, Beratungsnehmer_innen in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und anderen Ungleichwertigkeitsvorstellungen sowie der Stärkung einer demokratischen Alltagskultur zu unterstützen. Sie richtet sich dabei als professionelle Struktur an alle, die sich mit den genannten Phänomenen beschäftigen wollen oder müssen. Zu ihren Zielgruppen gehören:

• Zivilgesellschaftliche Initiativen und Netzwerke

• (Sport-)Vereine und Verbände

• Kommunale Politik und Verwaltung

• Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe

• Bildungseinrichtungen und Schulen

• Migrant_innenselbstorganisationen

• Soziale und kulturelle Einrichtungen

• Kirchen und Religionsgemeinschaften

• Gewerbetreibende und Unternehmen

• Gewerkschaften

• Polizei

• Landespolitik und -verwaltung

• Journalist_innen

• Einzelpersonen

Gemeinsam mit den lokalen Akteur_innen und ausgehend von den von ihnen formulierten Bedarfen und Problemen entwickelt Mobile Beratung Konzepte zur Stärkung demokratischer Kultur und einer an Menschenrechten orientierten Zivilgesellschaft.

 

Methodische Grundsätze Mobiler Beratung

Auf der Grundlage dieser inhaltlichen Grundsätze und Ziele haben sich Mobile Berater_innen auf zentrale methodische Grundsätze verständigt, die über Ländergrenzen und heterogeneStrukturen hinweg handlungsleitend sind.

• Wir sind mobile und externe Berater_innen für Veränderungen vor Ort

• Wir arbeiten anlass-, bedarfs- und ressourcenorientiert

• Wir leisten „Hilfe zur Selbsthilfe“ und verfolgen einen Empowerment-Ansatz

• Wir orientieren uns am Gemeinwesen und denken in Zusammenhängen

• Wir verfolgen einen moderierenden Ansatz und wahren eine professionelle Distanz

Aus diesen Grundsätzen ergibt sich die Notwendigkeit, Mobile Beratung in organisatorischer und inhaltlicher Unabhängigkeit und mit einem hohen Maß an Autonomie umzusetzen, um den Blick „von außen“ in Verbindung mit der professionellen Distanz zu gewährleisten. Dazu gehört auch die kontinuierliche Reflexion eigener (Un-)Abhängigkeiten.

 

Arbeitsweisen Mobiler Beratung

MBT gehen nicht mit fertigen Lösungen in Beratungsfälle. Grundlage der Beratung ist immer die Analyse der konkreten Situation vor Ort im Hinblick auf Problemstellungen einerseits sowie Veränderungspotenziale und demokratische Netzwerke andererseits. Vor diesem Hintergrund begleiten MBT die Entwicklung situations- und akteur_innenbezogener Handlungsstrategien in konkreten Situationen und Räumen. Dabei bringen sie Erfahrungen aus anderen Zusammenhängen als Veränderungsimpulse mit ein. Die folgenden Ansätze verstehen die Teams als handlungsleitend:

• Wir beraten vor Ort und sind in den Sozialräumen präsent

• Wir arbeiten langfristig und in festen Teams

• Wir sind qualifiziert und professionell

• Wir handeln wertschätzend und dialogisch

• Wir arbeiten transparent und machen unsere Arbeitsweise deutlich

• Wir recherchieren und analysieren

• Wir schaffen Anreize und Strategien für Veränderung

• Wir leisten politische Bildungsarbeit

• Wir betreiben Öffentlichkeitsarbeit

• Wir sind fachlich vernetzt

• Wir dokumentieren unsere Beratungsfälle und -prozesse für interne Auswertungen

• Wir behandeln unsere Beratungsfälle absolut vertraulich

• Wir reflektieren und evaluieren unsere Arbeit, Standpunkte und Strukturen

• Wir werden evaluiert und wissenschaftlich begleitet

• Wir entwickeln uns weiter

 

Berufsfeld Mobile Beratung

Die gemeinsamen Grundsätze sind ein Baustein auf dem Weg zu einem „Berufsfeld Mobile Beratung“, mit dem aus jahrzehntelanger Erfahrung eine Perspektive für die Verstetigung und Professionalisierung der Mobilen Beratung entwickelt wird. Aufgrund struktureller Gegebenheiten und Ressourcen in den Ländern können den hier formulierten Grundsätzen nicht alle MBT in gleicher Weise folgen. Wir verstehen diese aber als Zielbeschreibungen und Anspruch. Zu den unabdingbaren Ressourcen und Rahmenbedingungen gehören beispielsweise:

• eine ausreichende Personalausstattung,

• eine angemessene Bezahlung und entsprechende Arbeitsverträge,

• Büros mit entsprechender Logistik und örtlicher Anbindung,

• geeignete Arbeitsmittel, wie PKW im ländlichen Raum,

• Vorkehrungen für die Sicherheit der Berater_innen,

• Möglichkeiten zur Weiterbildung, für kollegiale und externe Beratung sowie

• Mittel zur Selbstevaluation, Qualitätsentwicklung und Supervision.

Zudem bedarf es der politischen Anerkennung von Mobiler Beratung als einem spezifischen Arbeitsfeld mit eigenen professionellen und strukturellen Standards. Darüber hinaus erfordert es auch den politischen Willen auf Bundes- und Länderebene, im Sinne eines ermöglichenden Staates unabhängige (und kritische) zivilgesellschaftliche Beratungsstrukturen langfristig und planungssicher zu finanzieren. Schlussendlich ist es erforderlich, dass die Träger Mobiler Beratungsteams deren Arbeit unterstützen und auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen im Sinne der vorliegenden Grundsätze hinwirken.